Stroh gehört zum spätsommerlichen Landschaftsbild. Auf den Feldern ist das Getreide abgeerntet und gedroschen. Übrig bleiben Strohballen. Die Getreidehalme werden in der Landwirtschaft gern als Einstreu oder auch Futter, etwa in der Rinder- oder Pferdehaltung, weiterverwendet. Das ist aber längst nicht alles. Denn Stroh ist vielseitig. So ist es unter anderem auch ein leistungsfähiger – und nachhaltiger! – Baustoff.
Gute Materialeigenschaften seit Jahrhunderten bekannt
Wirklich neu, dass Stroh ein toller Baustoff ist, ist die Erkenntnis natürlich nicht. In alten Fachwerkhäusern findet sich in den Gefachen, also den Zwischenräumen in den Holzrahmen, oft eine Mischung aus Lehm, Stroh und Sand. Diese Materialien überzeugten laut Wohntrends-Magazin bereits damals wegen ihrer guten Isolations- und Brandschutzeigenschaften.
Klassische Fachwerkhäuser werden mittlerweile eher seltener errichtet. Stroh spielt aber durchaus eine wichtige Rolle auf dem Bau, nun in Form von Isolationsmaterialien wie Stroheinblasdämmungen, Dämmmatten aus Stroh oder auch gepressten Strohplatten.
Zwei Konstruktionsvarianten
Damit nicht genug: Ab den 1970er Jahren entwickelte sich zunächst in den USA ein Trend, dass auch komplette Strohballen als Baumaterial genutzt wurden! Strohballen sehen nicht nur so aus wie Bausteine, sie können tatsächlich auch genauso genutzt werden. Grundsätzlich können Häuser auf zwei Arten mit Stroh gebaut werden, führt der 2002 gegründete Fachverband Strohballenbau Deutschland (FASBA) aus. Zum einen werden sie zwischen oder vor ein Holzständerwerk gebaut. Zum anderen werden Strohballen zu Wänden aufeinander geschichtet und tragen somit auch die kompletten Lasten eines Gebäudes. In beiden Fällen werden die Wände noch verputzt. Kommt innen dann Lehmputz zum Einsatz, entsteht eine besonders wohngesunde Umgebung. Baurechtlich ist in Deutschland zunächst allerdings lediglich die nicht-lasttragende Bauweise mit Kleinballen genehmigungsfähig. Lasttragende Konstruktionsweisen müssen jeweils individuell beantragt und geprüft werden.
Keine Angst vor Schädlingen
Die Materialeigenschaften von Stroh sind laut FASBA hervorragend. Die Interessenvertretung betont, dass Strohballenwände besonders gut gegen Schall schützen sowie – solange das Material dicht gepresst und vor dem Einbau komplett trocken ist – sehr guten Brandschutz bieten und auch beim Feuchteschutz gute Ergebnisse liefern.
Auch vor Mäusen oder anderen Tierchen, die sich durch den ökologischen Baustoff nagen, müssen Stroh-Bauwillige keine Furcht haben: „Die bisherigen Erfahrungen zeigen: Wird Stroh fachgerecht verbaut, ist es gegen Brand, Feuchte und gegen Schädlingsbefall geschützt“, schreibt die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR). Dementsprechend werden immer mehr Häuser mit Stroh gebaut. Der FASBA schätzt die Gesamtzahl in Deutschland laut FNR auf 1.800.
Broschüre informiert über Bauen mit Stroh
Für Interessierte, die mehr über den nachhaltigen Baustoff Stroh wissen möchten, hat die FNR erst jüngst ihre Broschüre „Leitfaden Strohbau – Nachhaltig Bauen und Dämmen mit Stroh“ in der achten Auflage neu herausgegeben. Darin erklären die Fachleute für klimafreundliche Rohstoffe anschaulich und verständlich, wie private, gewerbliche oder öffentliche Gebäude flächendeckend mit Stroh gedämmt werden können. Dazu gibt es 28 praktische Beispiele von Strohballenbauten in Deutschland und Europa.
Im Baustoff Stroh sieht die FNR noch großes Entwicklungspotenzial. Bislang wird es vorwiegend im Wohnungsbau – und dort zumeist bei Einfamilienhäusern – verwendet. Dabei sei wesentlich mehr möglich. Die Agentur rechnet vor, dass in der Landwirtschaft jährlich rund 40 Millionen Tonnen Getreidestroh anfallen, von denen 10 Millionen Tonnen nicht genutzt würden. „Theoretisch reicht diese Menge dafür aus, die Wärmedämmung von mehr als 350.000 Einfamilienhäusern zu realisieren“, lautet die Schlussfolgerung.